Meldung
Verzögerungen bei Vertrags- und Vergütungsverhandlungen
Gerichtsverfahren zur Klärung der Maßgeblichkeit sind der Grund
Im September letzten Jahres haben wir gemeinsam mit dbs und LD den Versorgungsvertrag zum 31. Dezember 2023 und die Vergütungsvereinbarung zum 30. Juni 2024 gekündigt, um beides neu verhandeln zu können. Wir sahen uns zu diesem Schritt veranlasst, da die Gespräche mit dem GKV-Spitzenverband zur Beseitigung von Auslegungsproblemen keinen Erfolg gebracht haben und der Vertrag an einigen Stellen (Online-Fortbildungen, nachträgliche Korrekturmöglichkeiten u.a.) überarbeitet und angepasst werden muss. Der dba hat sich der Vertragskündigung nicht angeschlossen und stattdessen bekräftigt, trotz zunehmender Probleme mit der Auslegung einzelner Regelungen am Vertrag festhalten zu wollen.
Unterschiedliche Rechtsauffassungen
Der GKV-Spitzenverband hat es abgelehnt, Vertragsverhandlungen ausschließlich mit dbl, dbs und LD aufzunehmen, weil die Vertragskündigung aus seiner Sicht nicht wirksam erklärt worden ist. Er verweist dabei auf die Regelung in § 21 Abs. 1 Satz 3 des Vertrages, der zufolge der Vertrag einerseits durch den GKV-Spitzenverband oder andererseits durch alle leistungserbringerseitigen Vertragspartner gemeinsam gekündigt werden kann. Wir vertreten gemeinsam mit dbs und LD aber die Ansicht, dass es einer zusätzlichen Kündigungserklärung durch den dba nicht bedurfte, da es sich beim dba nicht mehr um einen maßgeblichen Verband handelt.
In Bezug auf die Vergütungsvereinbarung stellt sich der Sachverhalt so dar, dass der dba die Vergütungsvereinbarung, deren letzte Stufe am 1. Oktober 2023 erreicht worden ist, zwar ebenfalls gekündigt hat, dbl, dbs und LD jedoch wegen fehlender Maßgeblichkeit fordern, dass neue Vergütungsverhandlungen ohne Beteiligung des dba aufzunehmen sind.
Wie ist der Stand der aktuellen Gerichtsverfahren?
Um zu klären, welche Verbände zu den maßgeblichen Verbänden gehören und als solche an zukünftigen Verhandlungen zu beteiligen sind, haben wir gemeinsam mit dbs und LD zwei gerichtliche Verfahren eingeleitet. Eines bezieht sich auf die konkrete Frage, ob die nur von dbl, dbs und LD erklärte Vertragskündigung rechtmäßig ist. Das andere Verfahren soll aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes klären, ob der GKV-Spitzenverband verpflichtet ist, die kommende Vergütungsverhandlung ausschließlich mit dbl, dbs und LD zu führen. In der ersten Instanz wurde der entsprechende Antrag vom Sozialgericht Berlin abgelehnt. Nachdem wir gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt haben, wird sich nun das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg mit dem Fall befassen und eine Entscheidung treffen.
Eine vom GKV-Spitzenverband ausgesprochene Einladung zur Neuvereinbarung der Anlage 2 (Vergütung) vor Abschluss des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens haben dbl, dbs und LD ablehnen müssen. Es ist zunächst die Entscheidung des Landesgerichts Berlin-Brandenburg abzuwarten.
Warum setzen wir uns gegen die weitere Beteiligung des dba an Vertrags- und Vergütungsverhandlungen ein?
Im Verlauf eines von LD gegen den Schiedsspruch vom 15. März 2021 eingeleiteten Klageverfahrens geriet zusätzlich zur eigentlichen Fragestellung des Verfahrens die grundsätzliche Frage in den Fokus, welche Berufsverbände tatsächlich zu den maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene im Sinne des § 125 Abs. 1 SGB V zählen und als solche berechtigt sind, die Verträge mit dem GKV-SV zu verhandeln.
Es hat sich später herausgestellt, dass der dba die von der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (Urteil vom 18. Januar 2018, Az: L 1 KR 316/13) und des Bundessozialgerichts (Urteil vom 8. August 2019, Az: B 3 KR 16/18 R) entwickelten Kriterien nicht erfüllt. Zum einen verfügt der dba nicht über die notwendige Anzahl von selbstständigen Mitgliedern mit einer GKV-Zulassung. Denn es wird verlangt, dass ein Verband 5 Prozent der Berufsangehörigen repräsentiert, für die der zur schließende Vertrag Geltung erlangen wird. Zum anderen kann er seine weitere Beteiligung an den Verhandlungen auch nicht damit begründen, dass es sich bei den Atem-, Sprech- und Stimmlehrer*innen um eine Berufsgruppe mit anerkennenswerten Sonderinteressen handelt, die bei der Abfassung des Versorgungsvertrags und seiner Anlagen notwendigerweise zu berücksichtigen sind.
Warum wurde das Problem erst jetzt akut?
In der Gesetzesbegründung zu § 125 SGB V heißt es, dass für die erstmalige Verhandlung des Versorgungsvertrages insbesondere die Verbände als maßgeblich anzusehen sind, die bereits nach bis dahin geltendem Recht als maßgeblich eingestuft worden sind und am Abschluss der Rahmenempfehlungen nach § 125 Abs. 1 SGB V a. F. beteiligt waren. Dies trifft zwar auf den dba zu, sagt allerdings nichts darüber aus, ob er auch bei weiteren Verhandlungen als maßgeblich anzusehen ist. Hierfür ist aus unserer Sicht unbedingt erforderlich, dass die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien erfüllt werden.
Welchen Sinn hat die Begrenzung auf die maßgeblichen Verbände?
Seit der 2019 erfolgten Gesetzesänderung wird in jedem Heilmittelbereich nur noch ein Vertrag geschlossen, so dass den beteiligten Verbänden erhebliche Gestaltungsmöglichkeiten auf Bundesebene eingeräumt werden, die sich unmittelbar auf die Tätigkeit jeder Therapeutin und jedes Therapeuten auswirkt. Somit ist es folgerichtig, dass von den Verbänden, die die Verträge auf Bundesebene aushandeln, auch eine hinreichend große Anzahl an zugelassenen Mitgliedern verlangt wird.
Müssen Atem-, Sprech- und Stimmlehrer*innen jetzt Nachteile befürchten?
Nein. Der Vertrag nebst Leistungsbeschreibung, Vergütungsvereinbarung und anderen Anlagen gilt für alle zugelassenen Praxen und den dort tätigen zulassungsfähigen Therapeut*innen gleichermaßen. Alle zur Teilnahme an der Versorgung nach § 125 SGB V befähigten Berufsgruppen, zu denen u.a. auch die Atem-, Sprech- und Stimmlehrer*innen gehören, unterliegen denselben vertraglichen Regelungen. Ebenso wenig ändert sich durch den angestrebten Ausschluss des dba von künftigen Vertragsverhandlungen etwas an der Zugehörigkeit der Atem-, Sprech- und Stimmlehrer*innen zu den zulassungsfähigen Berufsgruppen. Sie bedürfen daher bei den Verhandlungen keines besonderen Schutzes durch einen Berufsverband, der ausschließlich ihre Interessen vertritt.
Was gilt denn jetzt?
Der zum 31. Dezember gekündigte Vertrag gilt für alle auf jeden Fall solange weiter, bis ein neuer Vertrag geschlossen worden ist. Gleiches gilt für die Vergütungsvereinbarung, die von dbl, dbs und LD zum 30. Juni 2024 gekündigt wurde. Die letzte der darin vereinbarten Preisstufen ist zum 1. Oktober 2023 in Kraft getreten.
Britta Berbrich (dbl-Referat Recht)