Meldung
Nachruf auf Andreas Starke
Von Robert Richter
Andreas Starke ist am 30.12.2023 im Alter von 79 Jahren verstorben. Er hat in seiner logopädischen Arbeit entscheidende Impulse für Entwicklung der Stottertherapie in Deutschland gegeben.
Zunächst studierte Andreas Starke Mathematik und begleitete entsprechende Tätigkeiten als Mathematiker. Aufgrund seines eigenen starken Stotterns suchte er im Erwachsenenalter nach Therapien für sich selbst. Die Therapielandschaft war in den 70/80iger Jahren in Deutschland noch eine andere. Im Wesentlichen wurden Sprechtechniken zur Verflüssigung des Stotterns eingeübt, deren Nachhaltigkeit oft gering war. Andreas selbst absolvierte zunächst eine Therapie nach dem Ansatz des Legato-Sprechens. Anfang der 80 iger Jahre reiste er mit der gesamten Familie in die USA und studierte an der Western Michigan University Speech-Language Pathology und lernte u.a. Courtney Stromsta und Charles Van Riper kennen. Über sein Verhältnis zu Van Riper hatte er im Vorwort zur 7. Auflage „Die Behandlung des Stotterns“ (2016) folgendes gesagt: „Dabei hat Van Riper selbst mich sozusagen von allen Verpflichtungen des Schülerverhältnisses entbunden, indem er mir schrieb: „Und fühle Dich nicht an mich gebunden. Forsche und entwickle, zweifle und bezweifle Deine Zweifel. Ich wollte nie jemandes Schüler sein und habe es stets abgelehnt, selbst Schüler zu haben.“ Ich fand es nicht schwer, diesem Rat zu folgen.“
Er übersetzte nach seiner Rückkehr nach Deutschland verschiedene Bücher, u.a. An einen Stotterer (Stephen B. Hood, 1972) und The Treatment of Stuttering (Ch. Van Riper, 1979).
Im Jahre 1987 startete er die erste Intensivtherapie nach dem von ihm entwickelten Intensiv-Intervall-Ansatz. In vier aufeinanderfolgenden Intensivabschnitten von jeweils fünf Tagen wurden die Therapieinhalte der Van Riper Therapie den Teilnehmenden vermittelt. Die Therapie schloss mit einem dreitägigen Abschnitt nach einem Jahr ab. Im Laufe der Jahre fanden in diesem und einem ähnlichen Wochenend-Format über 80 Gruppen mit rund 800 Teilnehmenden statt.
In den Jahren 1995 – 2006 bot Andreas Starke ein Fortbildungsprogramm zur „Theorie und Therapie des Stotterns“ an, an dem rund 1000 Logopäd*innen und Sprachtherapeut*innen teilnahmen.
In den 80 iger Jahren war das Prinzip des Non Avoidance Ansatzes in der Stottertherapie in Deutschland noch nahezu unbekannt. Es stellte einen Paradigmenwechsel dar, die Bemühungen um das „Nicht-Stottern“ mit einem „Besser-Stottern“ zu ersetzen. Andreas Starke hat dieses Grundprinzip in der Therapie stringent umgesetzt. Das auf den ersten Blick komplizierte Problem des Stotterns wurde systematisch in den Kern des Stotterns und die vielfältigen Stotterreaktionen zerlegt und daran ausgerichtet erfolgte die Therapie. Seine Denkweise zum Stottern mündete oft in dem Satz: „Es gibt wenige Störungen, die von den Betroffenen so überschätzt und von Nichtbetroffenen so unterschätzt werden.“
Auf seinen Wunsch und mit der Initiative vieler ehemaliger Therapieteilnehmer*innen wurde Ende der 90iger Jahre das Ehemaligentreffen in Hübingen ins Leben gerufen. Einmal jährlich im Frühjahr treffen sich ehemalige Therapieteilnehmer*innen für ein Wochenende, tauschen Erfahrungen aus und organisieren Arbeitskreise zu Auffrischung von Therapieinhalten. Dieses Treffen gehörte für Andreas Starke zu den Höhepunkten des Jahres.
Andreas Starke war mit anderen Mitstreiter*innen maßgeblicher Initiator für die Gründung der Bundesvereinigung Stottern und Selbsthilfe im Jahre 1979. Die Selbsthilfe war auf seinem eigenen Weg mit dem Stottern ein bedeutender Meilenstein und so warb er unter den Betroffenen sehr für ein Engagement in der BVSS
Andreas Starke hat mit seiner eigenen Person das Prinzip der Freude an einem Leben auch mit Stottern zutiefst gelebt und dies den Therapieteilnehmer*innen vermittelt. Stottern zu verstehen und dann zu verändern war für ihn selbstverständlich. Diese Haltung gründete sich auf einem umfangreichen Wissen über die Therapielandschaft in Deutschland und weltweit. Er gehört zu den Menschen, die ihren Lebensschwerpunkt auf ein Thema ausgerichtet und damit für Betroffene und Angehörige viel bewegt haben. Andreas Starke wird ehemaligen Therapieteilnehmer*innen und Fachleuten im Bereich Stottern in wichtiger Erinnerung bleiben.
Danke Andreas!