Meldung
Habemus Koalitionsvertrag
Was können wir in Sachen Gesundheitspolitik von der zukünftigen Bundesregierung erwarten?
Anfang Dezember 2021 haben die an der zukünftigen Bundesregierung beteiligten Parteien über den bis dahin unter strengster Geheimhaltung erarbeiteten Koalitionsvertrag entschieden. Der Parteitag der SPD hat dieser, unter dem Titel „Mehr Fortschritt wagen. Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ vorgestellten Vereinbarung am 4., der der FDP am 5. Dezember jeweils mit übergroßer Mehrheit zugestimmt. Mit dem vor wenigen Minuten in einer Pressekonferenz verkündeten Ergebnis der Mitgliederbefragung der Grünen, die sich, bei einer Wahlbeteiligung von 57 Prozent, zu 86 Prozent für den Vertrag ausgesprochen haben, steht nun einer raschen Regierungsbildung nichts mehr im Weg.
Zudem hat sich die SPD heute auf Prof. Dr. Karl Lauterbach als neuen Gesundheitsminister festgelegt. Lange war spekuliert worden, wer diese Aufgabe in den kommenden vier Jahren übernehmen wird.
Was können wir nun von der Ampelkoalition und vom neuen Gesundheitsminister erwarten? Welche gesundheitspolitischen Ziele hat sich das Dreierbündnis gesetzt?
Im insgesamt 178 Seiten umfassenden Koalitionsvertrag sind die Ziele der drei neuen Regierungsparteien in neuen Kapiteln festgehalten. Das Thema Gesundheit findet sich in Kapitel „IV. Respekt, Chancen und soziale Sicherheit in der modernen Arbeitswelt“. Hier sind zudem unter dem Stichwort Soziale Absicherung Vorhaben formuliert, die sich für freiberufliche LogopädInnen u.U. positiv auswirken können: beispielsweise die Schaffung eines erleichterten Zugangs zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung für Selbständige, die Verbesserung der Altersvorsorge sowie die einkommensbezogene Berechnung der Beiträge zur freiwilligen Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenkasse.
Von den insgesamt 29 Seiten dieses Kapitels sind nur knapp acht dem Thema „Pflege und Gesundheit“ gewidmet. Als Leitziele werden eine gute Versorgung – sowohl in der Stadt als auch auf dem Land - sowie eine „moderne sektorenübergreifende Gesundheits- und Pflegepolitik“ definiert. Versprochen wird auch eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Gesundheitsberufe und Pflegekräfte. Doch wie sollen diese Ziele erreicht werden?
Hinsichtlich des stationären Sektors soll es einen „Bund-Länder-Pakt“ geben, der „die nötigen Reformen für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung auf den Weg“ bringt sowie eine „kurzfristig eingesetzte Regierungskommission“, die „hierzu Empfehlungen vorlegen“ soll. Das desaströs gescheiterte System der Krankenhausfinanzierung über DRGs soll dabei keineswegs abgeschafft, sondern lediglich „um ein nach Versorgungsstufen (…) differenziertes System erlösunabhängiger Vorhaltepauschalen ergänzt“ werden.
Und wie sollen die Verbesserungen für unsere Berufsgruppe konkret aussehen? Diesbezüglich sind die Ausführungen reichlich dünn. Es werden Projekte aufgeführt, die bereits von der letzten Regierung auf den Weg gebracht worden sind. Beispielsweise ein „Modellprojekt zum Direktzugang für therapeutische Berufe“ oder, dass „regelhaft telemedizinische Leistungen“, auch Videosprechstunden, ermöglicht werden sollen. Zwar gibt es Hinweise darauf, die nichtärztlichen Gesundheitsberufe weiter aufzuwerten und ggf. auch den Heilmittelberufen mehr Kompetenzen zuzusprechen, beispielsweise durch die Zusage, „Schmerzmittel im Betäubungsmittelgesetz für Gesundheitsberufe delegationsfähig“ zu machen oder deren „Mitsprachemöglichkeiten“ im Gemeinsamen Bundesausschuss zu erweitern „sobald sie betroffen sind“. Doch vor allem stimmt die Formulierung nachdenklich, dass die neue Regierung „ein allgemeines Heilberufegesetz auf den Weg“ (Hervorhebung d.d.V.) bringen will. Im Fall der Logopädie sind wir seit Jahren „auf dem Weg“ zu einem neuen Berufsgesetz! Nun brauchen wir endlich die Zusicherung, dass dieses auf der Basis eines Hochschulstudiums in der kommenden Legislaturperiode – und nicht erst an deren Ende – umgesetzt wird.
Dass die neue Regierung sich hierin bereits einig wäre, ist auf der Grundlage dieses Koalitionsvertrages leider nicht zu folgern. Hoffnung macht allerdings die Personalie Karl Lauterbach, der sich erst am 10. Mai 2021 bei einer virtuellen Veranstaltung am Uniklinikum Münster zum Thema Akademisierung der therapeutischen Berufsgruppen recht eindeutig geäußert hat. Die Zeitschrift „pt“ hat seine Positionierung anschließend wie folgt zusammengefasst: „Die gemeinsame wissenschaftliche Basis für alle Therapeuten sei unabdingbar für die zukünftige therapeutische Versorgung auf hohem Niveau. Die Berufsbilder der Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Logopäden seien derzeit stark im Wandel. Um international anschlussfähig zu sein und um Versorgung mit zu gestalten, braucht es wissenschaftlich reflektierende Praktiker und keine langfristige Spaltung der Berufsgruppen durch unterschiedliche Ausbildungswege.“ Daran werden wir den kommenden Bundesminister für Gesundheit nun messen und ihn gerne mit aller Kraft bei der Umsetzung dieses Vorhabens unterstützen.
(GS/Feit)