Meldung
GKV & PKV versus Bürgerversicherung
Gesundheit gut finanzieren. Kontroverse Diskussion von Parteien und Kassenvertretern
Auf Einladung der Apothekerbank trafen sich am 3. September geladene TeilnehmerInnen der Parteien Bündnis90/Die Grüne (Prof. Dr. Armin Grau), SPD (Hilde Mattheis) und CDU (Erwin Rüddel) mit Referenten der gesetzlichen (Andreas Storm, DAK) und der privaten Krankenversicherung (Dr. Florian Reuther, PKV). Frauke Kern nahm als Zuhörerin für den dbl teil, wobei die Möglichkeit bestand, sich mit Fragen, Statements und Anregungen in die Diskussion einzubringen.
Eingeführt wurde in das Thema durch den Volkswirt Prof. Dr. Andreas Beivers, der mit einem Rückblick in die Historie der gesetzlichen Krankenversicherung startete. Er wies noch einmal darauf hin, dass aktuell ca. 90% aller Deutschen in der GKV - zum größten Teil pflichtversichert - sind, und entsprechend lediglich ca. 10% der BürgerInnen und Bürger privat vorgesorgt haben. Hinsichtlich der "Wanderungstendenzen" sei der Trend aus der PKV in die GKV geringer als umgekehrt. Dabei überwiegen, so der Referent, in der PKV vor allem gesunde und besser verdienende Menschen.
Die zentrale Frage war, ob - und wenn ja, wie - eine Bürgerversicherung aus dem Ungleichgewicht des jetzigen Systems herausführen kann? Gefragt wurde nach den Parametern für Beitragssätze in einer möglichen Bürgerversicherung, nach der Versichertenstruktur, nach der Finanzierung, der Beitragsbemessungsgrenze und den Übergangsregelungen zwischen PKV und GKV.
Hilde Mattheis (SPD) wünschte sich die Bürgerversicherung in Form eines neuen, gerechten Umlagesystems, aber nicht als „Ersatz“ für die bestehenden Systeme, sondern als Alternative. Hier sollten ALLE Bürger/innen aufgenommen werden können, wobei alle Einnahmen (bspw. auch Kapitalerträge) hinsichtlich der Beitragsbemessung berücksichtigt würden. Die PKV würde in den Honoraren und Beitragssätzen gleichziehen müssen mit der Bürgerversicherung, wobei die Beitragsbemessungsgrenze an das Niveau der Rentenversicherung angeglichen würde. Zusatzbeiträge, Basistarife bzw. Zusatzversicherungen würden abgeschafft, die Finanzierung müsse jedoch auch aus Steuermitteln mitfinanziert werden. Ziel sei ein solidarisches System, das gerechte Versorgungsstrukturen allen Menschen gleichermaßen anbieten könne.
Erwin Rüddel (CDU) stellte dagegen, dass eine derartige Systemumstellung ca. zwei Wahlperioden brauche, diese Zeit hätte Deutschland nicht. Die Bürgerversicherung sei eine Utopie, die auf Enteignung und Gängelung der Bürger abziele. Einheitsversicherungen hätten bereits in anderen Ländern gezeigt, dass die Versorgung schlechter sei und die Mortalitätsrate ebenfalls. Außerdem stünden die Christdemokraten zu dem Motto: „Hilfe zur Selbsthilfe“, was auch die Eigenbeteiligung (Zuzahlungen) als sog. „Eigenvorsorge“ beträfe. Momentan seien andere Aufgaben vorrangig zu sehen, etwa die, Spezialisierungen im Gesundheitssystem voranzutreiben, die Digitalisierung und den Datenschutz (ePA) auszubauen, kleine Krankenhäuser in MVZs umzuwandeln und die Sektorengrenzen zu überwinden. Ohne Wettbewerb würde es zudem zum Stillstand hinsichtlich innovativer Weiterentwicklungen kommen. Die Verbesserung der Versorgung und Finanzierung stünden im Vordergrund und nicht ein Systemwechsel, daher müssten sich auch beide bestehenden Systeme (PKV und GKV) innovativ weiterentwickeln.
Prof. Dr. Armin Grau (Grüne) betonte, dass es um die gesellschaftliche Solidarität gehe und nicht um Ideologien oder Utopien. In einem Vergleich der Leistungen von GKV und PKV zeigte er die Schwächen beider Systeme auf: In der PKV würden die gesunden, besser Verdienenden im Leistungsspektrum deutlich bevorteilt, im anderen seien die Leistungen für alle gleich, unabhängig vom Beitragssatz. Die kranken Versicherten in der PKV würden mehr zahlen als die gesunden, die Beiträge stiegen teilweise ins Extreme und drängten Versicherte dazu, in einen Basistarif zu wechseln, der viele Leistungen nicht mehr absichere. Das GKV System hingegen müsste mehr Transparenz (auch in den Preisen) aufzeigen und das Leistungsspektrum der Kassen deutlicher herausstellen. Auch hier gebe es durch den Wettbewerb Verzerrungen und große Unterschiede in den Angeboten. Zusatzversicherungen seien kein fairer Ausgleich, sondern auch wieder den besser Verdienenden vorbehalten. Die von Frauke Kern eingebrachte Forderung zur Abschaffung der Zuzahlungen unterstützte er; dies sei eine der ersten wichtigen Aufgaben auf der Agenda der Grünen.
Andreas Storm (DAK) geht davon aus, dass es nach der Bundestagswahl zu Veränderungen im Gesundheitssystem kommen wird. Einem kompletten Systemwechsel stünde er skeptisch gegenüber, aber mit der Pflegeversicherung könne man als Pilotprojekt durchaus versuchen, den ohnehin schon einheitlichen Leistungskatalog für PKV und GKV auch in den Honoraren anzupassen und zu testen, wie das funktioniere. Außerdem sei es durchaus denkbar, dass die PKV anteilig Beiträge in den Gesundheitsfond schütten könne. Wichtig sei es, ein funktionsfähiges System zu schaffen, das das bestehende System modernisiert, weiterentwickelt und beide Versicherungsformen nebeneinander weiter existieren ließe. Eine „Einheitskasse“ lehnt er aus Wettbewerbsgründen ab. Eine Verbesserung des Leistungsangebotes und vor allem mehr Qualitätstransparenz unter allen bestehenden Versicherungsarten sei von Nöten.
Florian Reuther (PKV) gründet seine Argumentation darauf, dass die Bevölkerung grundsätzlich zufrieden sei mit dem Gesundheitssystem, das wir in Deutschland haben. Statt dieses zu ändern sei es vielmehr wichtig, sich mit der Finanzierung von medizinischen Leistungen, dem Wettbewerb und dem Ausbau von Leistungsangeboten vor dem Hintergrund des demografischen Wandels zu befassen. Die PKV sei außerdem solidarisch, indem sie zwischen gesunden und kranken Versicherten ausgleiche und die Bevölkerung nicht mit den Krankheiten/Kosten der PKV-Versicherten belastet würde. Dass gesetzliche Versicherte zum größten Teil pflichtversichert seien, sei hingegen unsozial, denn es würde dem Bürger das Recht abgesprochen, sich privat versichern zu dürfen.
Trotz der durchaus sehr unterschiedlichen Positionen war die Atmosphäre des Webinars geprägt von Souveränitat und Respekt. Die Diskussion der Teilnehmenden zielte insbesondere auf grundsätzliche Fragen ab und zeigte Vor- und Nachteile, Chancen und Risiken auf, die ein Systemwandel mit sich bringen würde.
Frauke Kern (dbl-Bundesvorstand)