Meldung
"Gesamtkonzeption Gesundheitsfachberufe" vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie -
Fachbereichstag Therapiewissenschaften (FBTT) kritisiert Eckpunktepapier
In ihrem Kommentar zum Eckpunktepapier der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Gesamtkonzeption Gesundheitsfachberufe“ (siehe hierzu auch unsere Meldung vom 5. März 2020) beziehen sich Prof. Dr. Annette Probst (Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst – HAWK) und Dr. Marion Grafe (Fachhochschule Münster) als Sprecherinnen des Fachbereichstag Therapiewissenschaften (FBTT) auf die aktuelle Pandemiesituation und die damit verbundene Entwicklung der gesundheitlichen Versorgung und stellen dar, in welchem Wechselverhältnis Qualifizierung - insbesondere das Qualifikationsniveau von Therapeutinnen und Therapeuten - und die (Qualität der) Versorgung stehen.
So zeigen sie auf, dass beispielsweise bereits Mitte März 2020 eine internationale Expertengruppe von Wissenschaftler/innen der Physiotherapie eine empfehlende Leitlinie zum Umgang mit COVID-19 Patientinnen und Patienten in der Akutversorgung herausgeben hat und im Mai niederländische Wissenschaftler/innen ein Positionspapier zur postakuten Versorgung von COVID-19 Patienten formulierte. Für die Pandemiesituation in Deutschland zeigt sich damit, dass die gesundheitliche Versorgung von COVID-19 Patientinnen und -patienten in Deutschland durch Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie (ELP) von im Ausland in den Therapiewissenschaften ELP gewonnen Forschungserkenntnissen abhängig ist, ohne dass dabei die Forschungsergebnisse für Deutschland 1 zu 1 angewendet werden können, eine „bruchlose Übertragbarkeit“ also nicht möglich ist.
Gerade eine Pandemie-Situation wie die derzeit bestehende, zeigt die Lücken und Schwierigkeiten auf, denn eine angemessene gesundheitlich-therapeutische Versorgung durch ELP erfordert wissenschaftlich fundiertes Regelwissen. Jeder Fachdisziplin muss die Möglichkeit uneingeschränkt zur Verfügung stehen, durch Wissenschaft und Forschung Handlungsergebnisse zu erzielen, die disziplinär und interdisziplinär den therapeutisch Handelnden zur Verfügung gestellt wird. Und darüber hinaus „im Austausch mit diesen auf seine Praxistauglichkeit hin für die Weiterentwicklung der therapeutischen Versorgung zum Wohle der Patient*innen“ überprüft.
Kritisch bemerken Probst und Grafe, dass in Deutschland „die gewerkschaftlichen und politischen Beharrungskräfte“ an alten Bildungsstrukturen für die therapeutischen Gesundheitsberufe weiterhin festhalten, ohne die Notwendigkeit für Innovationen im Gesundheitswesen zu erkennen. Positive Ergebnisse der Evaluation von Modellstudiengängen werden außer Acht gelassen. Mit direkter Wirkung auf die Patientenversorgung bedeutet dies, die Potenziale dieser Berufsgruppen für die gesundheitliche Versorgung weitestgehend ungenutzt zu lassen und dass die gesundheitliche Versorgung in Deutschland „hinter der möglichen (Versorgungs-)Qualität“ bleibt. Die aktuelle Situation und die zukünftige, adäquate Gesundheitsversorgung verdeutlichen, dass in Deutschland die bestmögliche Qualifizierung der Therapieberufe erforderlich ist. Die hierfür hochschulische Ausbildung der ELP als Regelausbildung darf nicht an alten Strukturen scheitern. Die „historische Chance für eine wirklich innovative „Neuordnung der Gesundheitsfachberufe“ für Deutschland“ sollte nicht verpasst werden!
Den vollständigen Kommentar des FBTT finden Sie hier.
Azzisa Pula-Keuneke (dbl-Referat Bildung )