Meldung
Déjà vu: Erneute Verlängerung der Modellklausel geplant!
Politik tritt auf der Stelle
In dem Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit „Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz – GVWG)“ vom 23. Oktober 2020 findet sich in Artikel 8 ein versteckter Hinweis auf die vorgesehene Änderung des § 11 des Gesetzes über den Beruf des Logopäden (LogopG). Die Befristung der Modellklausel, die eine hochschulische Ausbildung für die Logopädie (§ 4 Absatz 5 – 7 LogopG) ermöglicht, soll um weitere fünf Jahre verlängert werden, genauer gesagt: bis 2026!
Es heißt dazu, „… Die Verlängerung ermöglicht den Ländern, gewachsene Strukturen akademischer Erstausbildungen zunächst fortzuführen. Die bestehenden Modellstudiengänge können gegebenenfalls ein wichtiger Baustein sein, um reguläre akademische Ausbildungsangebote aufzubauen. Vor diesem Hintergrund ist die Verlängerung der Modellklauseln Voraussetzung für eine ergebnisoffene Entscheidungsfindung, ob und wenn ja in welcher Ausgestaltung die jeweilige Ausbildung in der Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie akademisiert werden soll.“
Man vermag kaum glauben, dass eine „ergebnisoffene Entscheidung“ durch eine Verlängerung der Modellklausel zu treffen ist - angesichts der Zeit, in der das Thema der hochschulischen Ausbildung für die Logopädie (die bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes 1980 stattfand) diskutiert und gefordert wird. Bereits seit neun Jahren werden die Modellstudiengänge erprobt. Trotz der ersten positiven Evaluation der Modellstudiengänge, die auch seitens des BMG anerkannt wurde (BT DS 18/9400) kam das BMG damals zu dem Schluss, es müsse eine 10-jährige Verlängerung der Modellklausel geben. Dem widersprach 2016 der Bundesrat in seinem Beschluss vom 14. Oktober (Beschluss 479/16) und begründete dies: „Die Empfehlung, die Modellregelungen um weitere zehn Jahre zu verlängern, ist angesichts der einstimmig positiven Ergebnisse der Evaluationen nicht nachvollziehbar, denn mit einer zehnjährigen Verlängerung wird die über-fällige Weiterentwicklung der Therapieberufe, die essentieller Bestandteil zur Lösung anstehender Herausforderungen in der Gesundheitsversorgung Deutschlands darstellt, unnötig verzögert“. Die 2017 durch die Gesundheitministerkonferenz geforderte und durch das BMG veranlasste Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft (BL-AG) „Gesamtkonzeption Gesundheitsfachberufe“ kam in dem am 5. März 2020 veröffentlichten Eckpunktepapier zu dem Schluss, die Vollakademisierung der Logopädie solle geprüft werden.
Und nun? Vier Jahre sind vergangen seit der Erklärung des Bundesrats; sowohl der dbl als auch der Arbeitskreis Berufsgesetz haben mit Vorlagen und Positionspapieren das Gespräch mit der Politik gesucht, um die Forderung der hochschulischen Ausbildung als Regelausbildung für die Logopädie nachhaltig darzulegen und zu vertreten. Es wurde eine Berufsgesetzvorlage entwickelt (bereits 2018), in der die vollständige hochschulische Ausbildung für die Logopädie/Sprachtherapie verankert ist. Das alles hat dazu geführt, dass in der Begründung des Referentenentwurfes allein auf die o. g. „ergebnisoffene Entscheidungsfindung“ abgestellt wird. Vier Jahre sind vergangen seit dem Beschluss des Bundesrates und die dort bemängelte „unnötige Verzögerung“ wurde leider Wirklichkeit.
Durch den vorliegenden Referentenentwurf wird der Vorschlag des BMG (aus August 2016!) durch die „Hintertür“ wieder aufgegriffen: Summa summarum handelt es sich dann, sollte es tatsächlich dazu kommen, dass die Modellklausel erneut 10 Jahre der verlängert wird (seit 2016 gerechnet).
Corona darf nicht als Begründung für die Verzögerung herhalten
An dieser Stelle sei eine Anmerkung erlaubt: Das Covid-19-Virus ist kein Thema seit vier Jahren, sondern erst seit Beginn 2020. Es hätte also seitens des Gesetzgebers genug Zeit gegeben, die Vollakademisierung für die Logopädie umzusetzen. Und, das darf nicht vergessen werden, diese Legislaturperiode ist noch nicht zu Ende. Gesetzesänderungen sind durchaus noch möglich und im Falle der Forderung der Vollakademisierung der Logopädie auch notwendig! Damit würde der Gesetzgeber eine zukunftsgerechte Versorgung von Patientinnen und Patienten sichern und sich zudem dem Problem des Fachkräftemangels stellen. Mit der berufsfachschulischen Ausbildung bleibt weiterhin das Problem bestehen, dass eine eigene Forschung und Weiterentwicklung der Fachexpertise aus den eigenen (logopädischen) Reihen nur mit zusätzlichen weiteren Studienabschlüssen (nach der berufsfachschulischen Ausbildung) umsetzbar ist. Für an der logopädischen Ausbildung Interessierte bleibt somit weiterhin das Dilemma bestehen, dass sie sich mit der berufsfachschulischen Ausbildung vor allem für die praktische Tätigkeit entscheiden (müssen). Ein Studium als Regelausbildung bietet mehrere Alternativen für die berufliche Wahl. (Fast) unnötig anzumerken, dass bisherige Studien gezeigt haben (beispielhaft sei hier an die VAMOS-Studie aus NRW 2019 erinnert), dass die Bachelorabsolventinnen und -absolventen ebenso in der Praxis arbeiten wie andere hochschulisch ausgebildete Gesundheitsberufe und so die Versorgung sicherstellen. Darüber hinaus scheint in der Politik noch nicht angekommen zu sein, dass Deutschland mit seiner Ausbildungsform europaweit und international das „Schlusslicht“ ist.
Bis zum 12. November 2020 können die betroffenen Berufsverbände eine Stellungnahme abgeben; die Stellungnahme des dbl wird auf der Mitgliedsseite anschließend veröffentlicht. Die Anhörung per Webex erfolgt am 19. November 2020.
Azzisa Pula-Keuneke (dbl-Referat Bildung)