Meldung
Anhörung zur Modellklausel– was folgt daraus?
Am 19. November 2020 fand die Anhörung zu dem Referentenentwurf des Gesundheitsversorgungsgesetzes (GVWG) statt, geleitet durch Dr. Sonja Optendrenk. Dr. Optendrenk, Leiterin der neu gegründeten Leitungsabteilung im Bundesministerium für Gesundheit (BMG), berichtet in ihrer Position direkt an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn.
Im Rahmen des GVWG war u.a. auch unter II.26 die Verlängerung der Modellklauseln für die Therapieberufe Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie eingefügt worden. Danach soll die Verlängerung der Klauseln bis 2026 reichen (siehe dazu auch unsere Meldung vom 30.Oktober 2020).
AK Berufsgesetz: Das BMG ignoriert die Lage.
In der Anhörung zu dem Referentenentwurf gab es in der Sitzung - ausgetragen über Webex - die Möglichkeit für die betroffenen Verbände, neben einer schriftlichen Stellungnahme, die bereits vorab eingereicht worden war, sich auch digital zu Wort zu melden. Für die vier Berufsverbände des Arbeitskreises (AK) Berufsgesetz, die ebenfalls durch Verbandsvertreterinnen an der Anhörung teilnahmen, meldete sich Dietlinde Schrey-Dern als Sprecherin dieser Verbände und des gesamten AK zu Wort. Sie betonte erneut, dass die vier Berufsverbände des AK strikt gegen eine Verlängerung der Modellphase seien und nach wie vor ein neues Berufsgesetz für die Logopädie/Sprachtherapie forderten. Die in dem Referentenentwurf angegebene Begründung, die Verlängerung der Modellklauseln ermögliche eine „offene Entscheidungsfindung“ widersprach Schrey-Dern vehement und führte an, das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) ignoriere die jetzige Lage. So sei eine deutliche Zunahme der Interessierten für eine hochschulische Ausbildung in den Gesundheitsberufen zu verzeichnen (Bildungsbericht 2020). Darüber hinaus verfüge die Logopädie/Sprachtherapie bereits über 40 % hochschulisch ausgebildeter Berufsangehöriger. Eine Verlängerung der Modellklausel führe zu einer Planungsunsicherheit für die derzeitigen Modellstudiengänge und für die Bundesländer und deren hochschulischen Ausbau. Die Versorgung der Patientinnen und Patienten würde durch den Fachkräftemangel, der sich weiterhin vergrößere, gefährdet, eine evidenzbasierte Weiterentwicklung des logopädischen Behandlungsfeldes verzögert. Es sei Fakt, dass die berufsfachschulische Ausbildung keine Forschung und Wissenschaft ermögliche. Das LogopG, bereits 40 Jahre alt, müsse durch ein neues Berufsgesetz mit einer hochschulischen Ausbildung für die Logopädie/Sprachtherapie als Regelausbildung ersetzt werden.
HVG: Eine Verlängerung der Modellklauseln verhindert Weiterentwicklung
Prof. Hilke Hansen, Vorstandsmitglied des Hochschulverbundes Gesundheitsfachberufe (HVG) stellte dem BMG gegenüber dar, die Verlängerung der Modellklausel sei ein „Schlag ins Gesicht“. Sie verwies auf die erste Verlängerung der Modellklausel 2016, die auf vier Jahre reduziert worden sei durch den Bundesrat. Nun dem „alten“ Vorschlag des BMG zu folgen, das bereits 2016 eine 10-jährige Verlängerung angestrebt habe, sei nicht zu verstehen. Hansen wies darauf hin, dass beispielsweise die Entwicklung in der Medizin eine andere Zeitschiene aufweise. So sei Zeit für Arbeiten zur Änderung der Approbationsordnungen 2002, 2012 und 2020 möglich und „übrig“ gewesen, was hingegen den Therapieberufen in diesem Maße verwehrt werde. Das BMG sähe die Notwendigkeit der wissenschaftsbasierten Versorgung der Gesellschaft nicht, sondern gäbe den Therapieberufen keine echte Reformmöglichkeit (im Unterschied zur Medizin). Hansen stellte die Frage, wie lange dieser Zustand noch andauern solle, denn das BMG destabilisiere die hochschulische Entwicklung. Hochschulen würden keine neuen Studiengänge entwickeln, wenn das BMG untätig bliebe und alles auf Eis lege. Ihr Fazit: Eine Verlängerung der Modellklauseln seitens des BMG verhindere Weiterentwicklung; die Modellklauseln würden dazu genutzt werden, eine „Nicht-Kontinuität“ für die Therapieberufe zu schaffen.
Weitere Vertreter betonen notwendige Umsetzung der hochschulischen Ausbildung
Zu Wort meldeten sich ebenso Vertreter/innen der Ergotherapie, so auch der deutsche Verband der Ergotherapeuten (DVE), vertreten durch den Vorsitzenden Andreas Pfeifer. Pfeifer setzte sich ebenfalls erneut für die Umsetzung der hochschulischen Ausbildung der Therapieberufe in dieser Legislaturperiode ein. Prof. Thomas Eschenbach (Hochschule für Gesundheit Bochum, hsg) wies noch einmal ein- und ausdrücklich auf die Wichtigkeit der wissenschaftlichen Weiterentwicklung der Therapieberufe hin, die notwendig und internationaler Standard sei.
Nun bleibt die Frage, wie es weitergeht … - das BMG wird sich sicherlich dazu melden.
Im benachbarten Ausland stoßen die Pläne von Jens Spahn derweil auf großes Unverständnis
In diesem Zusammenhang sei auch auf einen Artikel aus der Ärztezeitung verwiesen, der am 17. November 2020 erschien. Angesicht der angestrebten Verlängerung der Modellklausel, sei man in Zürich und Wien über diese „Hängepartie“ in Deutschland fassungslos.
Mit der Vollakademisierung in der Schweiz und in Österreich sei ein neuer Qualitätslevel in der Patientenversorgung erreicht. Eine Verlängerung der Modellklauseln und damit ein Aufschieben der hochschulischen Entwicklung statt die notwendige Akademisierung endlich zu vollziehen, sei eine „ungünstige Entwicklung“ und für das Gesundheitswesen in Deutschland „nicht förderlich“, drücken Prof. Andreas Gerber-Grote, Präsident des VFWG und Vorstandsmitglied Silvia Mériaux-Kratochvilla (Leiterin des Departement Gesundheitswissenschaften an der Fachhochschule Campus Wien) in ihrem Schreiben an Bundesminister Spahn aus. Deutschland sei bei der Akademisierung dieser Berufe auf der Weltkarte ein „weißer Fleck, was vor dem Hintergrund des Entwicklungsgrades von Deutschland fragwürdig ist“. Durch immer komplexer werdender Erkrankungsbilder der Patienten seien, so Gerber-Grote und Mériaux-Kratochvilla „Professionals“ nötig, die mit Ärzten „fachlich fundiert, an der Evidenz orientiert, kommunizieren können. So appellieren beide an Spahn, eine weitere Verlängerung der Modellphase zu überdenken und die bereits existierenden Studiengänge anzuerkennen und auszubauen
Den vollständigen Artikel der Ärzte-Zeitung können Sie hier abrufen.
Azzisa Pula-Keuneke (dbl-Referat Bildung)