Meldung
Angemessene Vergütung von Heilmittelerbringern noch lange nicht erreicht
WAT-Gutachten über betriebswirtschaftliche Grundlagen für leistungsgerechte und wirtschaftliche Heilmittelversorgung vorgestellt
Professor Dr. Günter Neubauer hat heute gemeinsam mit Vertretern von elf Heilmittelverbänden aus den Berufsgruppen der Ergotherapie, Physiotherapie, Podologie und Logopädie das Wirtschaftlichkeitsgutachten (WAT-Gutachten) seines Instituts für Gesundheitsökonomik (IfG) vorgestellt.
Die Verbände, darunter auch der dbl, hatten die Studie im Sommer 2019 in Auftrag gegeben, um - nach der grundlegenden Neuordnung der Vergütungsarchitektur im Heilmittelbereich im Zuge der Umsetzung des TSVG - in den nun bevorstehenden Preisverhandlungen mit den gesetzlichen Krankenkassen ihre Argumente für eine weitere, deutliche Vergütungssteigerung mit Daten und Fakten zu belegen. Nun liegen empirisch ermittelte Zahlen über die Ist-Situation der Heilmittelbranche vor, die Politik und Krankenkassen nicht ignorieren können.
Sie zeigen die Defizite in der aktuellen Vergütung auf und bieten belastbare Empfehlungen, in welche Richtung sich die Vergütung bewegen muss, wenn die flächendeckende Heilmittelversorgung auch in Zukunft sichergestellt werden soll.
Auf der Basis des Jahres 2018 wurden die erwirtschafteten Überschüsse der Praxen bzw. der Praxisinhaber/innen, das wirtschaftlich tragfähige und konkurrenzfähige Ziel-Einkommen sowie die Differenz zwischen Ist- und Zielbetriebsergebnis und die erforderliche Vergütungserhöhung für Mitarbeiter/innen ermittelt.
Die dafür notwendigen Daten wurden über eine Umfrage im Jahr 2019, bezogen auf die Zahlen des Jahres 2018, erhoben. Mit insgesamt 4425 Praxisinhaber/innen entspricht dies, bezogen auf alle Leistungserbringer der betrachteten Heilmittelbereiche im Jahr 2018 (61.881), einer Teilnehmer/innenquote von 7,2 bzw. - nach Plausibilitätsprüfung, 6,5 Prozent. Dabei ist die Quote im Bereich Logopädie mit 770 teilnehmenden Praxen und 8,2 Prozent die höchste aller teilnehmenden Berufsgruppen. Auch unter Berücksichtigung der relevanten Merkmale (Verteilung nach Heilmittelbereichen, Anteil an GKV-Umsatz, Verteilung nach Praxisstandort) ist der Datensatz repräsentativ.
Neben einer Gesamtauswertung wurden die Daten auch bezogen auf die einzelnen Berufsgruppen ausgewertet. Für den Bereich Logopädie können folgende Erkenntnisse festgehalten werden:
- Das ermittelte durchschnittliche Unternehmer/innen-Einkommen und die Mitarbeiter/innen-Vergütung in einer logopädischen Praxis in 2018 liegen weit unter den entsprechenden vergleichbaren Tarifgehältern im öffentlichen Dienst.
- Noch größer zeigt sich die Differenz bei kleinen Praxen ohne angestellte Therapeut/innen - obwohl gerade die kleinen Praxen für eine flächendeckende Versorgung der Patient/innen unabdingbar sind.
- Um langfristig eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen, ist es notwendig, ein angemessenes Unternehmer/innen-Einkommen erzielen zu können. Hierfür ist eine Anhebung der GKV-Preise von 2018 um mindestens 49 Prozent notwendig (hiervon muss die Anhebung zum 1. Juli 2019 abgezogen werden).
- Es besteht bereits ein eklatanter Fachkräftemangel in der Logopädie. 40 Prozent der Praxen gaben an, dass therapeutische Mitarbeiter/innen fehlen.
- Um wettbewerbsfähig und attraktiv für Berufsanfänger/innen zu sein, muss eine angemessene Mitarbeitervergütung gewährleistet werden. Auch dazu ist eine Anpassung der GKV-Vergütung um mindestens 15 Prozent erforderlich.
- Insgesamt müssten die GKV-Preise also um mindestens 64 Prozent angehoben werden.
- Hausbesuche und Behandlungen in Einrichtungen nach §11 HMR erfordern einen hohen zeitlichen Mehraufwand für die Heilmittelerbringer/innen. Dies sollte bei der künftigen Preisfindung mit kalkuliert werden.
- Die tatsächliche Vor- und Nachbereitungszeit beträgt 19,4 Minuten und liegt damit fast 100 Prozent über der aktuell vergüteten Zeit von 10 Minuten. Dies muss bei der künftigen Preisfindung einkalkuliert werden.
- Es zeigt sich, dass in Logopädie-/Sprachtherapiepraxen ein erheblicher Arbeitsaufwand für Verwaltungstätigkeiten anfällt. Der Verwaltungsaufwand muss in der Vergütung Berücksichtigung finden.
„Diese Ergebnisse zeigen einen erheblichen Vergütungsrückstand für die logopädisch arbeitenden Berufsgruppen“, so Frauke Kern, die im dbl-Bundesvorstand für die Belange der Freiberufler/innen zuständig ist. „Wir werden diese Daten und Fakten in den nun beginnenden Verhandlungen nutzen, um der berechtigten Forderung nach einer angemessenen Vergütung logopädischer Leistungen Nachdruck zu verleihen. Eine Vergütung, die sowohl eine Absicherung der Praxisinhaber/innen im Alter oder in Krisenzeiten als auch attraktive Gehälter für angestellte Logopädinnen und Logopäden ermöglicht. Nur so kann die ambulante Logopädie auch morgen noch für die Patientinnen und Patienten da sein - in der Großstadt genauso wie auf dem Lande.“