Prävention von Sprach- und Sprechstörungen
Mit der Einführung des Neugeborenenhörscreenings ist eine wesentliche Voraussetzung zur Früherkennung von Hörstörungen und damit eine Präventionsmöglichkeit von Sprach- und Sprechstörungen geschaffen worden, die langfristig dazu beiträgt, die Entstehung von Sprachentwicklungsstörungen infolge von Hörstörungen zu minimieren. Daher ist es wichtig, dass alle Neugeborenen an dieser Maßnahme zur Früherkennung teilnehmen.
Eine weitere Maßnahme zur Prävention von Sprach- und Sprechstörungen besteht in der Stärkung der Eltern.
Dies bedeutet, die Eltern sehr früh zu beraten und sie evtl. durch Maßnahmen wie Elterntrainings darin zu unterstützen, sich ihrem Kind gegenüber sprachfördernd zu verhalten, selbst wenn das Kind sich sprachlich nur wenig äußert. Angebote dazu werden je nach Region von Sozial- und/oder Gesundheitsämtern, aber auch von zertifizierten Logopäden und Logopädinnen unterbreitet.
Des Weiteren kann die Kompetenz der Eltern, die Entwicklung ihrer Kinder, die sie täglich in den vielfältigsten Spiel- und Bewegungssituationen erleben, einzuschätzen, für die Früherkennung genutzt werden. Mit Hilfe von Elternfragebögen können die Risiken für eine Sprachentwicklungsstörung eingeschätzt und Eltern auf der Grundlage des Ergebnisses beraten werden.
Je früher eine Sprachentwicklungsstörung erkannt wird, desto eher kann sie entweder behoben oder verhindert werden, dass die Störung sich verschlechtert und sich auf andere Entwicklungsbereiche, z. B. das Sozialverhalten des Kindes, negativ auswirkt (vgl. De Langen-Müller et. al., 2012).
Eltern verfügen über eine angeborene Fähigkeit, ihre Kinder beim Spracherwerb zu unterstützen. Diese Fähigkeit wird von der Wissenschaft als "Motherese" (das "Mutterische") bezeichnet, wobei nicht nur Mütter, sondern auch Väter diese Fähigkeiten mitbringen. Sie verhalten sich oft intuitiv sprachfördernd gegenüber ihren Kindern.
Eltern bemerken als erste, wenn es einem Kind nicht gut geht, wenn sie oder andere es nicht verstehen, wenn es sich zurückzieht. Sie sind sehr gut in der Lage einzuschätzen, was das Kind auch sprachlich leisten kann und sie sind es, die ihre Kinder sprachlich fördern können.
Welche Fähigkeiten bringen Eltern mit, um ihr Kind zu unterstützen?
Überprüfen Sie mit dem Elternfragebogen, welches sprachfördernde Verhalten Sie bereits mitbringen und an welcher Stelle Sie sich noch verbessern können: Ist Ihr Sprachverhalten förderlich?
Tipps für Eltern
Nehmen Sie ihr Kind ernst, indem Sie
- es anschauen, wenn Sie mit ihm sprechen,
- ihm zuhören,
- ihr Kind aussprechen lassen,
- ihr Kind nicht verbessern, während es redet,
- mit ihm spielen, statt zu üben,
- es nicht nachsprechen lassen,
- in vollständigen, aber nicht komplizierten Sätzen wiederholen, was es gesagt hat. Sie zeigen Ihrem Kind damit, dass Sie es verstanden haben und bieten ihm so ein korrektes Sprachvorbild.
Haben Sie Spaß und Freunde mit ihrem Kind, indem Sie
- mit ihm singen und tanzen,
- mit ihm Bilderbücher anschauen,
- und ihm Geschichten erzählen.
Nehmen Sie sich täglich Zeit, die nur für ihr Kind bestimmt ist und in der sie nicht parallel etwas Anderes tun. Das können 15, 20, 30 Minuten sein oder 1 Stunde - je nachdem, wie Sie es einrichten können.
Prävention von Sprachstörungen bei Mehrsprachigkeit
Mehrsprachigkeit stellt in der Regel kein Problem dar, sondern wirkt sich eher unterstützend auf die kognitive Entwicklung der Kinder aus.
Daher sollte der Erwerb mehrerer Sprachen auf jeden Fall unterstützt werden.
Wichtig:
- Mutter und Vater sprechen in ihrer Muttersprache zu ihrem Kind
- Die Sprache von Vater und Mutter kann verschieden sein
- Kinder können mehrere Sprachen gleichzeitig erwerben
- Kinder können auch erst eine und dann eine andere Sprache lernen
- Das Lernen einer zweiten Sprache gelingt umso leichter, je früher das Kind beginnt, diese Sprache zu erlernen, und je öfter es diese Sprache einsetzen kann, z.B. im Kindergarten, auf dem Spielplatz, mit Freunden Zuhause usw.
- Kinder sollten ihre deutschsprachigen Freunde außerhalb des Kindergartens zum Spielen treffen; diese Kontakte vervielfältigen das sprachliche Angebot.
Literaturhinweise
- Largo, R. (2010). Babyjahre. Entwicklung und Erziehung in den ersten vier Babyjahren. Überarbeit. Neuausgabe, München: Piper
- Reich, H.H., Roth, H.J. (2002). Spracherwerb zweisprachig aufwachsender Kinder und Jugendlicher. Ein Überblick über den Stand der nationalen und internationalen Forschung. Freie und Hansestadt Hamburg (Hrsg). https://epub.sub.uni-hamburg.de/epub/volltexte/2007/32/pdf/gutachten_zur_zweisprachigkeit_pdfpropertysource.pdf
- Tracy, R. (2007). Linguistische Grundlagen der Sprachförderung: Wieviel Theorie braucht (und verlangt) die Praxis? In: Ahrenholz, B. (Hrsg.). Deutsch als Zweitsprache. Voraussetzungen und Konzepte für die Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, S. 17-29.