Stimmtransition bei trans*Frauen
Transsexuell, transgender oder transident. Es gibt viele verschiedene Begrifflichkeiten, mit denen Menschen, die sich ihrem Geburtsgeschlecht nicht zugehörig fühlen, identifizieren. Die Verwendung des Sternchens hinter dem Wort trans* soll all diese Begrifflichkeiten respektieren und Raum für verschiedene Identitäten bieten.
Der Begriff Stimmtransition bezeichnet die Anpassung von Stimm- und Sprechcharakteristika während der Geschlechtsidentitätsangleichung.
Abgesehen von den rein stimmlichen Merkmalen wie Tonhöhe oder Helligkeit umfasst sie auch andere linguistische Ebenen wie Artikulation oder Pragmatik. Die Veränderung der Stimme ist ein wichtiger Aspekt der Geschlechtstransition, in der es nicht nur darum geht, in der Gesellschaft als Frau bzw. als Mann wahrgenommen zu werden. Ziel ist, die eigene Stimme als Ausdrucksmittel der Persönlichkeit zu nutzen, sich mit ihr zu identifizieren und wohlzufühlen.
Medizinische Einordnung
In der von der WHO (Weltgesundheitsorganisation) im Jahre 1991 herausgegebenen Fassung des ICD (International Classification of diseases) wurden trans* Menschen unter F64. „Störung der Geschlechteridentität“ klassifiziert und damit dem Abschnitt F6 „Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen“ zugeordnet. Seit dem 01.01.2022 gilt die überarbeitete Version (ICD-11), in der die Diagnose „Genderinkongruenz“ unter Abschnitt 17 „Zustände mit Bezug zur sexuellen Gesundheit“ eingeordnet wird. Damit wurde ein erster wichtiger Schritt zur Entpathologisierung („Weggehen vom Krankheitsbegriff“) von trans* Menschen getan.
Häufigkeit
Wie hoch der Anteil an trans* Menschen in Deutschland tatsächlich ist, lässt sich aufgrund fehlender Zählungen und uneinheitlichen Definitionen nur schwer sagen. Ebenso schwierig ist es daher das Verhältnis von trans* Frauen und trans* Männern in der Bevölkerung zu bestimmen. Schaut man sich die Verteilung von KlientInnen in den logopädischen Praxen an, überwiegt der Anteil von trans* Frauen jedoch deutlich. Dies hat einen einfachen Grund: Im Rahmen des Transitionsprozesses bewirkt die Gabe von Testosteron bei trans* Männern ein Wachstum des Kehlkopfes. In vielen Fällen führt dies zu einer automatischen Absenkung der mittleren Sprechstimmlage in einen männlichen Bereich.
Umgekehrt ist dies jedoch nicht der Fall. Ist der Wachstumsprozess des Kehlkopfes während der Pubertät bereits abgeschlossen, wird er sich durch die Hormonbehandlung in Form von Östrogen nicht verkleinern und die mittlere Sprechstimmlage bleibt unverändert. Trans* Frauen sind daher wesentlich häufiger auf die Unterstützung bei der Anpassung ihrer Stimme durch Logopäden und Logopädinnen angewiesen.
Inhalte der Therapie
Wie bei jeder logopädischen Therapie ist es auch bei der Stimmtransition wichtig, für jeden Klienten und jede Klientin einen individuellen, an die Bedürfnisse und Ressourcen angepassten Ansatz zu finden. „Einfach nur höher zu sprechen“ birgt das Risiko einer Fehlbelastung der Muskulatur und kann zu chronischen Stimmproblemen wie z.B. anhaltender Heiserkeit führen.
Durch gezielte Übungen, die eine Flexibilisierung der Muskeln des Kehlkopfes und des Ansatzsrohrs bewirken, können eine höhere mittlere Sprechstimmlage, ein hellerer Stimmklang und somit eine weiblichere Stimme erreicht werden.
Neben der logopädischen Behandlung können auch operative Maßnahmen zu einer Erhöhung der Sprechstimmlage führen. Um einen gesunden Umgang mit der Stimme zu erlernen und funktionellen Stimmstörungen entgegenzuwirken wird jedoch auch vor und nach phonochirurgischen Eingriffen eine logopädische Behandlung empfohlen.
Was können Betroffene tun?
Eine Heilmittelverordnung für die Stimmtransition wird in vielen Fällen von den betreuenden Psychologen und Psychologinnen ausgestellt. Aber auch über die HNO- und die Hausarztpraxis können Betroffene den Weg in eine logopädische Praxis finden. Sie sollten sich vorab über das Behandlungsangebot der logopädischen Praxis informieren, da bisher noch nicht alle Praxen Angebote zur Stimmtransition anbieten.
Weitere Anlaufstellen für mehr Information, Hinweise und deutschlandweite Selbsthilfegruppen finden Sie z.B. unter folgenden Adressen:
Literatur und Material
Hammer, S. & Teufel-Dietrich, A. (2017). Stimmtherapie mit Erwachsenen. 6. Aufl., Berlin: Springer
Kruse, S.; Houben, D. & Lascheit, T. (2016). Stimmtherapie mit Mann-zu-Frau-Transsexuellen. Köln: Prolog
Nawka,T. & Wirth, G. (2008). Stimmstörungen. Für Ärzte, Logopäden, Sprachheilpädagogen und Sprechwissenschaftler. 5. Aufl., Köln: Deutscher Ärzte Verlag.
Internetquellen
- Antidiskriminierungsstelle des Bundes: https://www.antidiskriminierungsstelle.de/DE/ueber-diskriminierung/diskriminierungsmerkmale/geschlecht-und-geschlechtsidentitaet/trans/trans-node.html (04.06.2022)
- Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte: https://www.bfarm.de/DE/Kodiersysteme/Klassifikationen/ICD/ICD-11/uebersetzung/_node.html (04.06.2022)
- Bundeszentrale für politische Bildung: www.bpb.de/themen/gender-diversitaet/geschlechtliche-vielfalt-trans/500950/trans/ (04.06.2022)
- Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e.V.: https://dgti.org/ (19.06.2022)
- LaKru® Stimmtransition: stephaniekruse.de/trans/ (26.06.2022)
- www.meingeschlecht.de/anlaufstellen/alle-angebote/ (01.07.2022)
- transmann.de/trans-informationen/medizinisches/hormone/ (26.06.2022)
dbl-Materialien
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- Positionspapiere
Links
Organisationen:
- Der Bundesverband Trans* e.V.
www.bundesverband-trans.de - Dgti: Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e.V.
dgti.org - Trans-Ident e.V.
www.trans-ident.de
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Literatur
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