Aphasie
Eine Aphasie ist eine erworbene zentrale Sprachstörung, die durch Schädigung des Gehirns hervorgerufen wird.
Alle Bereiche und Modalitäten der Sprache (die Lautstruktur (Phonologie), der Wortschatz (Lexikon), die Bedeutung (Semantik) und der Satzbau (Syntax)) können in unterschiedlichem Ausmaß beeinträchtigt sein. Sowohl die rezeptiven (Sprachverständnis) als auch die expressiven (Sprachproduktion) Fähigkeiten können betroffen sein. Somit können das Sprechen und Verstehen der Lautsprache oder auch das Lesen und Verstehen geschriebener Sprache erschwert und je nach Schweregrad der Beeinträchtigung sogar kaum noch möglich sein. Diese zumeist plötzlich auftretenden sprachlichen Defizite haben häufig weitreichende und teilweise lang andauernde Folgen für das familiäre, soziale und berufliche Leben der Betroffenen und ihrer Angehörigen.
Ursachen
Aphasien können als Folge verschiedene Hirnschädigungen auftreten.
Bei Erwachsenen ist eine zerebrale Durchblutungsstörung (Schlaganfall/vaskuläre Ursache) mit mehr als 80% die Hauptursache. Weitere Ursachen sind das Schädelhirntrauma, Tumore oder Entzündungen des Gehirns.
Häufigkeit
Schätzungsweise 80.000 Menschen in Deutschland erleiden pro Jahr eine zerebrovaskulär (durch Schlaganfall) bedingte Aphasie.
Bei mehr als 1/3 der Betroffenen bildet sich die Aphasie nicht vollständig zurück.
270.000 Menschen in Deutschland erleiden jedes Jahr eine Schädelhirnverletzung - bei einem Unfall im Straßenverkehr, am Arbeitsplatz, im Haushalt oder bei Spiel und Sport. Knapp die Hälfte der Unfallopfer ist unter 25 Jahren.
Symptome
Lautebene (Phonologie) | Wortschatz (Lexikon/Semantik) | Grammatik (Morphologie/Syntax) | Lesen und Schreiben (Schriftsprache) |
phonematische Paraphasien:
| semantische Paraphasien:
Wortfindungsstörungen
| Agrammatismus:
Paragrammatismus
Fehlerhafte Verbflexion
| Tiefendyslexie:
Oberflächendyslexie:
Beim Lesen können Fehler beim Vorlesen und beim Verstehen auftreten. Die Symptome beim Lesen können sich in ähnlicher Weise beim Schreiben zeigen. Es kann z.B. zu Buchstabenvertauschungen und –auslassungen kommen. |
Neben den Symptomen auf den linguistischen Ebenen (Phonologie, Semantik, Lexikon, Morphologie, Syntax) treten auch sogenannte „repetitive Phänomene“ auf, wie z.B. Sprachautomatismen (z.B. mamamama … mö mö), Stereotypien (feste Redefloskeln mit wenig Inhalt, z.B. „ach du meine Güte“), Perseverationen (ungewolltes Wiederholen von Lauten, Silben, Wörtern oder Sätzen) und Echolalien (unbeabsichtigtes Wiederholen von zuvor Gesagtem: „Was haben Sie dann gemacht?“ – Antwort: „Was haben Sie dann gemacht?“).
Zusätzlich zu den Störungen der Sprache (Sprechen, Verstehen, Lesen und Schreiben) können bei Patienten und Patientinnen mit Aphasie Störungen in Pragmatik und Kommunikation auftreten.
Pragmatische Störungen äußern sich dadurch, dass Betroffene die Organisation von Gesprächen nicht mehr gut einhalten können. In einem Gespräch wechseln sich die beteiligten Gesprächspartner mit ihren Äußerungen immer wieder ab (turn-taking). Gesprächspartner mit Aphasie haben zum Teil Schwierigkeiten dieses Abwechseln einzuhalten, sie geben die Sprecherrolle dann entweder nicht ab oder es entstehen überlange Pausen, die für den Gesprächspartner unangenehm sein können. Zudem können Betroffene ihre Redeabsichten in Gesprächen oft nicht schnell genug vermitteln, sie machen dann häufig die Erfahrung, dass das Thema schon gewechselt hat, bevor sie ihre Meinung dazu äußern konnten.
Es kann aber auch schwierig sein bei einem Thema zu bleiben oder den roten Faden in einem Gespräch beizubehalten, wenn z. B. Sprachverständnisstörungen oder -unsicherheiten vorliegen.
In der Regel ist aber, auch bei Betroffenen mit schweren Aphasien, das Wissen darüber, wie man Gespräche führt, erhalten.
Was können Betroffene und Angehörige tun?
Tipps für Angehörige und weitere Gesprächspartner:
Bei Menschen mit Aphasie können alle Bereiche der Kommunikation - Verstehen, Sprechen, Lesen und Schreiben – beeinträchtigt sein. Die Betroffenen haben aber nach wie vor Gedanken, Wünsche, Erfahrungen und Wissen, das sie äußern und in die Kommunikation mit anderen Menschen einbringen möchten. Die Gesprächspartner können Menschen mit Aphasie bei dieser Absicht unterstützen.
- Offenheit für nichtsprachliche Mittel zur Übermittlung von Informationen (z.B. durch Gesten, Bilder, Zeichnungen, …)
- Ruhige Atmosphäre für Gespräche schaffen (Vermeidung von Stress, Unterstützung von Ruhe und Fokussierung in Gesprächssituationen)
- Bei Nicht-Verstehen nachfragen: ggf. Absicherung durch Entscheidungsfragen, die Betroffene mit Ja oder Nein beantworten können
- Bei Bedarf im Gespräch kurze und einfache Sätze verwenden, schwierige Wörter vermeiden
- Gestik, Mimik und Schriftsprache mit einbeziehen
- NICHT in Babysprache verfallen
- Unterstützung der Betroffenen in Gesprächen mit anderen, wenn dies erwünscht ist
Ansprechpartner sind behandelnde Ärzten und Ärztinnen bzw. Neurologen und Neurologinnen, sowie Logopädinnen und Logopäden. Sie bieten je nach Spezialisierung kompetente Hilfe und Unterstützung bei Fragen. In einer Aphasie-Selbsthilfegruppe finden Betroffene und Angehörige weiteren Rat und Unterstützung. Beim Bundesverband für die Rehabilitation der Aphasiker (www.aphasiker.de) gibt es neben den Adressen der Selbsthilfegruppen umfangreiches Informationsmaterial.
Literatur und Material
Tesak, J. (2006). Einführung in die Aphasiologie. Stuttgart: Thieme.
Huber, W., Poeck, K, Springer, L. (2006). Klinik und Rehabilitation der Aphasie. Eine Einführung auch für Angehörige und Betroffene. Stuttgart: Thieme
Ziegler, W. (2012). Qualitätskriterien und Standards für die Therapie von Patienten mit erworbenen Störungen der Sprache (Aphasie) und des Sprechens (Dysarthrie) der Gesellschaft für Aphasieforschung und -behandlung (GAB) und der Deutschen Gesellschaft für Neurotraumatologie und Klinische Neuropsychologie (DGNKN), 5. Auflage, Stuttgart: Thieme
dbl-Materialien
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- Positionspapiere
Behandlungsleitlinie
Die Verlinkung zur aktuellen Leitlinie zum Thema „Aphasie“ finden Sie unter: forum-logopaedie.de: medizinische Leitlinien
Links
Lauer, N., Grötzbach, H., Abel, S. (2013): Wort für Wort zurück ins Leben - Beispiele für die Aphasie, ICF-basierte Therapieziele erstellen
Fachzeitschriften:
- Aphasiology - Aphasiology is concerned with all aspects of language impairment and related disorders resulting from brain damage
- Aphasie und verwandte Gebiete - Bulletin der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Aphasie
- Brain and Language - An interdisciplinary journal
- Schlaganfall Magazin - Zeitschrift für Freunde und Förderer der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe
- Aphasie und Schlaganfall - Zeitschrift für Rehabilitation und Selbsthilfe - Organ des Bundesverbandes für die Rehabilitation der Aphasiker e.V.
Fachorganisationen:
- Gesellschaft für interdisziplinäre Spracherwerbsforschung und kindliche Sprachstörungen im deutschsprachigen Raum e.V.
- Aphasie Suisse - Fachgesellschaft und Betroffenenorganisation der Schweiz
- DGN - Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.
- DGNKN - Deutsche Gesellschaft für Neurotraumatologische und klinische Neuropsychologie e.V.
- GAB - Gesellschaft für Aphasieforschung und -behandlung
- National Aphasia Association, USA
- Zentrum für Aphasie und Schlaganfall
Institute:
- Institut für Neuroinformatik an der Ruhr-Universität Bochum
- Max-Planck-Institut für neurologische Forschung, Köln
- Sprachambulanz der Uniklinik RWTH Aachen
- Neurologische Klinik der Universität Göttingen
- Neurologische Klinik im Universitätsklinikum Aachen
Selbsthilfe:
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Literatur
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Literatur
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