Stimm- und Hörentwicklung
Wie entwickelt sich die Stimme?
Der kindliche Kehlkopf und das Atemsystem unterscheiden sich in Größe, Proportion und Funktion von dem des Erwachsenen und sichern die für den Säugling lebensnotwendige Gleichzeitigkeit von Atem- und Schluckfunktion.
Die erste stimmliche Äußerung ist der Neugeborenenschrei mit einer Tonhöhe um 440 Hz.
In den ersten sechs Lebenswochen beginnt der Säugling das Schreien zu verändern (modulieren) und variiert Tonhöhe, Lautstärke und Stimmeinsätze und zeigt damit den Eltern/Bezugspersonen seine Befindlichkeit an, d.h. ob er zufrieden ist und sich wohl fühlt oder ob er Hunger, Unwohlsein oder Schmerzen empfindet.
Die Entwicklung der Stimme geht einher mit der Reifung des zentralen Nervensystems und des Gehörs. Der Stimmumfang sowie die Modulations- und Leistungsfähigkeit erweitern sich im Laufe des Kleinkind-, Vorschul- und Schulalters, die Stimmlage beim Sprechen wird tiefer und ca. ab dem 6.-7. Lebensjahr beginnt sie sich in der Höhe bei Mädchen und Jungen zu unterscheiden.
Wie entwickelt sich das Hören?
Die nachfolgende Beschreibung des Verlaufs der Hörentwicklung basiert im Wesentlichen auf Thiel (2000):
- In der sechsten Schwangerschaftswoche ist das Hörorgan angelegt. Schon ab der 22. Schwangerschaftswoche lassen sich Reaktionen des Fötus auf akustische Reize nachweisen.
- Nach der Geburt entwickelt sich die Hörfähigkeit des Kindes durch die ständige akustische Anregung der Umwelt. Das Neugeborene reagiert zunächst mit Reflexen (Lidreflex/Mororeflex [Schreckreaktion]), Bewegungsänderungen in der Mimik oder mit Augenweitstellung nur auf laute Schallreize.
- In den ersten drei Monaten zeigen Säuglinge zunehmend auditive Aufmerksamkeit, erkennen die elterlichen Stimmen und erschrecken bei lauten Geräuschen.
- Zwischen dem 3. und 6. Monat wachen Säuglinge bei lauten Geräuschen auf und zeigen Interesse und Suchbewegungen für auffällige Geräusche und Laute.
- Ab dem 6. Monat zeigen Kinder Freude an Geräuschen und Musik. Typische Intonationsmuster (z.B. steigend oder fallend) der Umgebungssprache werden erkannt und die zweite Lallphase wird durchlaufen.
- Mit 9 Monaten reagieren Kinder auf ihren Namen und verstehen Wörter. Sie fangen an zu erkennen, woher ein Schallsignal kommt.
- Mit ca. einem Jahr können Kinder Schallreize sicher und direkt lokalisieren. Sie verstehen Verbote, reagieren auf leise Zusprache und sprechen selbst erste Wörter.
- Mit ca. zwei Jahren verstehen Kinder Aufforderungen und Fragen sowie geflüsterte Sprache.
- Bis zum dritten Lebensjahr, spätestens jedoch mit vier Jahren können Kinder komplexe Sprachäußerungen verstehen und die bewusste Wahrnehmung und Differenzierung einzelner Laute der Sprache ist möglich.
Woran erkennen Eltern, dass ihr Kind gut hört?
Eltern beobachten ihr Kind in gemeinsamen Interaktionen meist sehr genau und können anhand der Angaben für eine normale Hörentwicklung erkennen, ob ihr Kind altersgemäß auf akustische Reize und die Stimmen der Eltern reagiert.
Der Hörsinn und damit die Fähigkeit zu hören ist eine wichtige Grundlage für die lautsprachliche Kommunikation, die Sprachentwicklung und die kognitiv-soziale Entwicklung eines Menschen.
Eventuell hilfreich für Eltern ist folgende Überprüfung der ASHA (American Speech Language Hearing Association) zur Einschätzung der Hörfähigkeit von Kindern.
Einschätzung der Hörfähigkeit des Kindes durch die Eltern:
Zeigt Ihr Kind die nachfolgend beschriebenen Verhaltensweisen bzw. Symptome, sollten sie es in Hinblick auf eine Hörstörung von einem Facharzt (HNO, Pädaudiologe, Phoniater) untersuchen lassen.
- Ihr Kind reagiert mal direkt, mal gar nicht auf Ansprache bzw. wenn sie es rufen.
- Ihr Kind folgt Anweisungen nicht korrekt.
- Ihr Kind reagiert oft mit „Wie?“ oder “Was?“.
- Die Sprachentwicklung Ihres Kindes ist verzögert.
- Die Artikulation Ihres Kindes ist schwer verständlich.
- Das Kind stellt Medien (Radio, TV, CD Spieler, etc.) durchgehend sehr laut ein.
Literaturhinweise
ASHA (American Speech, Language, Hearing Association). Self-Test for Hearing Loss. URL: www.asha.org/public/hearing/Self-Test-for-Hearing-Loss/
Probst, R.; Grevers, G.; Iro, H. (Hrsg.) (2008): Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. 3. Aufl., Stuttgart: Thieme
Thiel; M. (2000). Logopädie bei kindlichen Hörstörungen. Ein mehrdimensionales Konzept für Therapie und Beratung. Berlin: Springer