Late Talker - Sprachentwicklungsverzögerung
Kinder, die erst später mit dem Sprechen beginnen, werden als Late Talker bezeichnet.
Eine verzögerte Sprachentwicklung liegt vor, wenn ein Kind mit 24 Monaten weniger als 50 Wörter spricht und in den Folgemonaten im Vergleich zu anderen Zweijährigen einen sehr kleinen Wortschatz hat. Ist das Kind in anderen Entwicklungsbereichen (z. B. Motorik, Denk- und Spielentwicklung) weitgehend altersgerecht entwickelt, wird es in der Fachwelt als Late Talker bezeichnet (Kauschke, 2017). Die Kinder sprechen oft noch keine Zweiwortkombinationen (z. B. Papa Ball). Sie verständigen sich durch Zeigen auf Dinge, Kindersprache (z. B. „Wau-wau“), Geräusche oder Mimik und Gestik.
In den meisten Fällen kann keine eindeutige Ursache (z.B. Hörstörung) für die verzögerte Sprachentwicklung festgestellt wurde (AWMF-Leitlinie, 2013). Als Hauptursache vermutet man eine genetische Veranlagung. Die Eltern sind nicht schuld an der verzögerten Sprachentwicklung ihres Kindes. Die Kinder sind auch nicht zu faul zum Sprechen, wie es ihnen häufig unterstellt wird. Mehrsprachiges Aufwachsen ist kein Risiko für eine verzögerte Sprachentwicklung. Spricht ein mehrsprachig aufwachsendes Kind mit 24 Monaten insgesamt weniger als 50 Wörter, ist genauso wie bei einsprachigen Kindern eine Abklärung der verzögerten Sprachentwicklung zu ratsam.
Häufigkeit und Früherkennung
Etwa 15% der zweijährigen Kinder weisen eine Sprachentwicklungsverzögerung bei altersentsprechender Allgemeinentwicklung auf (Kauschke, 2017; Sachse und von Suchodoletz, 2007). Damit die Kinder bei Bedarf die richtige Unterstützung bekommen und langfristige Folgen vermieden werden, ist eine genaue diagnostische Abklärung notwendig. Sprechen Sie zunächst mit Ihrem Kinderarzt/ ihrer Kinderärztin. Late Talker können mittels Elternfragebögen zuverlässig und frühzeitig erkannt werden (Horwitz et a., 2003; v. Suchodoletz, 2015). Dabei kreuzen die Eltern auf Wortlisten an, welche Wörter ihr Kind bereits spricht. Diese Wortlisten erhalten Sie beim Kinderarzt während der U7-Untersuchung. Bei Auffälligkeiten in der Sprachentwicklung sollte unbedingte eine Überprüfung des Gehörs erfolgen. Eine Fachperson aus dem Bereich Logopädie/Sprachtherapie schätzt mit einem Sprachentwicklungstest den Sprachentwicklungsstand des Kindes ein. Hierzu gehören das Sprachverständnis, die aktive Sprache sowie das Kommunikationsverhalten. Bei Bedarf kann eine Abklärung der allgemeinen Entwicklung erfolgen.
Symptome und Verlauf
Late Talker beginnen meist deutlich später zu sprechen als andere Kinder. Sie sprechen die ersten Wörter nicht mit zwölf bis 14 Monaten, sondern erst im Alter von 18 bis 24 Monaten. Anschließend lernen sie nur sehr langsam neue Wörter. Es gibt immer wieder Wochen oder sogar Monate, in denen sie kein neues Wort sprechen. Manchmal sprechen die Kinder die Wörter auch sehr undeutlich aus, da sie Laute ersetzen (z. B. Baktor für Traktor) oder Laute auslassen (And statt Sand). Teilweise kommt es zu Verzögerungen im Symbolspiel und in den Kategorisierungsfähigkeiten (Zuordnen von Unterbegriffen zu Oberbegriffen, z.B. Obst: Apfel, Banane, Erdbeere; nicht: Karotte, Gurke, …) (Desmarais et al., 2008, Hachul, 2015; alle zitiert nach Kauschke, 2017).
Im Laufe des dritten Lebensjahres kann die Sprachentwicklung von Late Talkern in zwei Richtungen verlaufen.
Ca. 1/3 der Late Talker holt die Defizite in der Sprachentwicklung bis zum dritten Lebensjahr auf und entwickelt sich danach sprachlich unauffällig.
Diese Kinder werden auch als Late Bloomer (auf Deutsch: Spätzünder) bezeichnet. Die restlichen Late Talker zeigen auch nach dem dritten Geburtstag weiterhin sprachliche Auffälligkeiten, zum Teil im Sinne einer Sprachentwicklungsstörung (Desmarais et al., 2008, Hachul, 2015; alle zitiert nach Kauschke, 2017).
Was können Eltern von Late Talkern tun?
Eltern sind wichtige Kommunikationspartner für ihr Kind und können dessen Spracherwerb gut fördern. Daher zielt eine Beratung darauf ab, wie die Eltern durch einen bewusst sprachförderlichen Umgang ihr Kind in seiner Sprachentwicklung unterstützen können. Entscheidend ist nicht wieviel Zeit mit dem Kind verbracht wird, sondern kurze Gesprächsmomente im Alltag, wie beim Essen, Anziehen oder Bücheranschauen, zur Sprachförderung zu nutzen.
Generell sollten Sie Ihr Kind nicht zum direkten Nachsprechen auffordern und Fehler Ihres Kindes nur indirekt korrigieren
(z.B. Kind zur Katze: „Wau wau“ – Sie: „Das ist eine Katze. Die Katze macht „Miau“).
So stärken Sie sein Vertrauen in die sprachlichen Fähigkeiten und ermutigen es, sich sprachlich auszuprobieren.
Eines der bekanntesten Beratungskonzepte ist das Heidelberger Elterntraining zur frühen Sprachförderung (HET; www.heidelberger-elterntraining.eu). In einer wissenschaftlichen Studie wurde die Wirksamkeit des HET nachgewiesen und gezeigt, dass alle Eltern lernen können, ihr Kind beim Sprechenlernen zu unterstützen (Buschmann et al., 2009).
Literatur und Material
Buschmann, A., Jooss, B., Rupp, A., Feldhusen, F., Pietz, J. & Philippi, H. (2009). Parent-based language intervention for two-year-old children with specific expressive language delay: A randomised controlled trial. Archives of Disease in Childhood, 94, 110-116.
Desmarais, C., Sylvestre, A., Meyer, F., Bairati, I. & & Rouleau, N. (2008). Systematic review of the literature on characteristics of late-talking toddlers. International Journal of Language and Communication Disorders, 43(4), 361-389.
Hachul, C. (2015). Frühe Auffälligkeiten der Sprachentwicklung. In: S. Sachse (Hrsg.). Handbuch Spracherwerb und Sprachentwicklungsstörungen. Kleinkindphase. München: Elsevier, 81-100.
Horwitz, S.M., Irwin. J.R., Briggs-Gowan, M., Bosson Heenan, J.M., Mendoza, J. & Carter, A. (2003). Language delay in a community cohort of young children. Journal of the American Academy of Child and Adolescent Psychiatry, 43(8), 932-940.
Kauschke, C. (2017). Frühe Sprachauffälligkeiten. In: J. Siegmüller & H. Bartels (Hrsg.), Leitfaden Sprache, Sprechen, Stimme, Schlucken. 5. Auflage. München: Elsevier, 62-66.
Sachse, S. & Suchodoletz, W.v. (2007). Variabilität expressiver Sprachleistungen bei zweisprachigen Kindern erfasst mit dem ELFRA-2. Sprache-Stimme-Gehör, 31(3), 118-125.
Suchodoletz, W. v. (2015). Elternfragebögen zur Früherkennung von Sprachentwicklungsstörungen. In S. Sachse (Hrsg.), Handbuch Spracherwerb und Sprachentwicklungsstörungen. Frühe Kindheit. München: Urban&Fischer, 131-145.
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